Ich habe kürzlich
auf Twitter erwähnt, dass ich nach dem Ansehen des Trailers für Anomalisa von Regisseur Charlie Kaufman
Bedenken habe. Um diese auch für mich auszuformulieren (und der Ankündigung,
die zumindest zwei bis drei Menschen interessierte, auch Taten folgen zu lassen)
nun die folgenden Zeilen.
Zunächst einmal:
über Trailer zu diskutieren ist ein Stück weit müßig. Selten vermitteln sie
wirklich ein Gefühl für den fertigen Film, oft führen sie gar komplett ins
Leere oder sind das Produkt einer nicht immer (oder ökonomisch nur allzu gut)
nachvollziehbaren Marketingstrategie. Einer tollen Vorschau kann ein miserabler
Film folgen und vice versa. Als grobe Richtlinie, ob ein Werk für jemanden
persönlich interessant sein könnte, mögen sie gut sein, aber, wie gesagt, man
läuft schnell Gefahr, auf etwas hereinzufallen. Dementsprechend begebe ich mich
mit diesem Text natürlich auf vermintes Gebiet und führe mich selbst ein wenig
ad absurdum, aber Anomalisa erzeugte
so eine unmittelbare Reaktion bei mir, dass es einfach sein musste.
Anomalisa ist ein Drama, realisiert als
Stop-Motion-Animationsfilm. Die Vorschau legt nahe, dass er sich dezidiert an
ein erwachsenes Publikum richtet. In diesem stets vorhandenen Betonen dessen,
dass Animation auch als „erwachsenes“ Ausdrucksmittel genutzt werden kann,
liegt immer etwas Unnötiges, ist aber nicht Gegenstand meiner Ausführungen. Es
ist vielmehr das, zumindest in der Vorschau, Fehlen eines Gespürs für die
gewählte Darbietungsform. Die Figuren sind sehr realistisch gehalten, auf eine
dem Uncanny Valley nicht allzu ferne Art und Weise (Abb. 1). Lediglich die
Augenpartie offenbart Schlitze in den Schläfen, die deutlich auf die
Künstlichkeit der Charaktere hinweisen (Abb. 2 & 3). Ansonsten gibt es
eigentlich keine Anhaltspunkte dafür, warum Anomalisa
als Animationsfilm daherkommt, außer der hinlänglich bekannten Tatsache, wie
dehnbar das menschliche Emotionsvermögen ist, wie bereitwillig man eine mit 24
Bildern in der Sekunde animierte Puppe als lebendes Wesen annimmt.
(Abb. 1)
(Abb. 2 & 3)
Eine der
eingeblendeten wohlwollenden Kritikerstimmen bringt es auf den Punkt: „The most
human film of the year – and it doesn’t star a single human." Die Vorschau
suggeriert, dass des Anomalisa genau darum geht – Schaut her, auch Kaufman kann Gefühle auf Puppen übertragen. Was
dem Film so abhandenkommt sind die Möglichkeiten der gewählten Kunstform.
Animation kann alles und es liegt gerade in ihrer Fähigkeit zur Abstraktion,
die sie so anziehend macht. Die Menschen in PIXARs Die Unglaublichen sehen nicht aus wie echte Menschen, aber ihr
Äußeres wird zu einem Spiegelbild ihres Inneren. Die Figuren in Adam Elliots
auf vielen Ebenen grandiosen Mary &
Max sind leicht groteske Karikaturen (Abb. 4 & 5), weil sie sich immer
wieder einer ebenso grotesken Welt entgegenstellen – und deren Implikationen
teilweise sehr ernst genommen und auf der visuellen Ebene gebrochen werden
(Abb. 6 & 7). Animation bedeutet Spielfreude, Spaß an der Abstraktion, ohne
den Kern allen menschlichen Handelns – die Emotionen – aus dem Blick zu
verlieren. Nur Animation kann gedankliche Vorgänge illustrieren wie jüngst Alles steht Kopf, kann die physische
Welt verformen wie Science of Sleep
oder den Zuschauer Gefühle für eine Linie und einen Punkt entwickeln lassen.
(Abb. 4 & 5)
(Abb. 6 & 7)
[1] Angelehnt ist diese Frage an
die Bildunterschrift auf Seite 131 von Florian Schwebels Standardwerk „Von Fritz
the Cat zu Waltz with Bashir – Der Animationsfilm für Erwachsene“ (Schüren
Verlag, Marburg 2010, ISBN 978-3-89472-691-1). Dort bezieht sie sich auf die
deutsche Produktion Lissi und der wilde Kaiser, über den Schwebel u.a.
schreibt: „ […]er versteht nichts von der Animation als Gattung und ist schnell
vergessen.“ (S. 131)